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Cornelia Koppetsch: Die Gesellschaft des Zorns

2019-06-18 13:37

[Nachtrag: Plagiatsvorwürfe gegen die Autorin]

Endlich eine Analyse der aktuellen (partei-)politischen Lage, die nicht an Unterkomplexität krankt. Die Autorin zeigt auf, was wir uns vorgaukeln: "Die Ideen von Egalitarismus, Meritokratie und Öffnung stehen in Widerspruch zur Persistenz einer auf ethnischen und rassistischen Ausbeutungsprinzipien basierenden Weltökonomie[.]" (S. 202)

Die Widersprüche zwischen Gefühl und Handeln, wie sie aktuell in puncto Fliegen diskutiert werden, erkennt die Autorin geradezu als Weltanschauung: "Die Angehörigen des postindustriellen Bürgertums [...] möchten einerseits erfolgreich und wohlhabend sein, andererseits als rebellisch und unorthodox oder wenigstens als romantisch und friedliebend gelten. Sie möchten sich gegen andere durchsetzen und Höchstleistungen erbringen und zugleich so tun, als ob sie ihre beruflichen Verdienste einzig und allein einem glücklichen Zufall verdanken." (S. 214)

Die sogenannten flachen und scheinbar zwanglosen Hierarchien erzeugen den Druck auf modernere Art: "Klassische Hierarchien sind somit durch die disziplinierenden Effekte verknappter Stellenmärkte substituiert worden." (S. 222) Bei dem folgenden Satz musste ich an die Rolle des Wettbewerbs in der (Hoch-)Schule denken: "Wettbewerbe forcieren die Selbstzurechnung von Scheitern und Erfolg und eine charismatische Aufwertung der Gewinner, was eine Solidarisierung beherrschter Gruppen unwahrscheinlich werden lässt." (S. 224) Das ließe sich vielleicht so ins Bildungssystem übertragen: Die in der Schule zu lernende, massiv unfaire Lektion könnte sein, seine niedere gesellschaftliche Stellung zu akzeptieren. ("Ich kann nicht Mathe, ist halt so.")

Die Betonung der Eigenverantwortlichkeit passt zum "Lehrenden als Lernbegleiter" und zu SOL (vulgo: Schule ohne Lehrer): "Wo prekäre Beschäftigungen als Möglichkeit zur flexiblen Selbstentfaltung, die Vorenthaltung einer allgemeinen Krankenversicherung als neue Wahlfreiheit oder der Entzug sozialer Sicherungen als gesteigerte Selbstverantwortung belobigt werden, dort werden Appelle an Eigenverantwortlichkeit und Selbstdisziplinierung selbstzerstörerisch." (S. 230f)

Das Buch geht leider nicht auf Diesel-Fahrverbote, Tempolimit, CO₂-Steuer (Stichwort: Gelbwesten) usw. ein. Das mag einem langen Vorlauf beim Schreiben geschuldet sein. Zu diesen Themen würde ich von dieser Autorin sehr gerne mehr lesen.

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