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Mathe, Gene und Bourdieu

2020-03-03 10:47

Das Paper Genetic associations with mathematics tracking and persistence in secondary school (Open Access) stellt fest, dass die Schulen der Bildungsaffineren (gemessen als Anteil der Mütter mit High-School-Abschluss) in Mathe mehr Schülerinnen und Schüler mit schlechteren genetischen Voraussetzungen mitnehmen. Wer hätte das gedacht? Hinten im Text versteckt kommt eine sehr plausible Erklärung: "[A] student's polygenic score also reflects the genotype of his/her parents, which is in turn associated with the environment that the parents provide." Mit anderen Worten: Es geht zum großen Teil nicht um die Mathe-Gene der Kinder, sondern um die Schulkompatibel-erziehen-Gene der Eltern (soziales Kapital?) – Mathe als Test, ob man die "richtigen" Eltern besitzt.

Genomweite Assoziationsstudien sind sowieso statistisch und ethisch hochriskant (siehe etwa die Diskussion hier). Hat da jemand Kraniometrie 4.0 gesagt?

Immer wieder gern gesehen ist diese Verwechselung von Korrelation und Kausalität: "Math matters for economic success. American students who take math courses beyond Algebra 2 are more likely to enroll in college and complete a STEM degree and have better labor market outcomes." – Aber natürlich ist Mathe nicht die Ursache davon, sondern nur ein verlässliches (weil teures) Signal für Frustrationstoleranz und das strenge Befolgen fremdbestimmter, augenscheinlich sinnloser Regeln.

Kommentar vom 2020-03-03, 19:29

> sondern nur ein verlässliches (weil teures) Signal für Frustrationstoleranz und das strenge Befolgen
> fremdbestimmter, augenscheinlich sinnloser Regeln.
Nur weil jemand Kausalität und Korrelation verwechselt hat, heißt das aber nicht automatisch, dass da keine besteht. Man ersetze mal "Erfolg im Job" durch "Erfolg in der Fussball-Bundesliga" und "Mathe" durch "Training": Wenn der Erfolg von Bayern München nicht ausschließlich kausal auf das Training zurückzuführen ist, bedeutet das aber noch lange nicht, dass das Training gar nicht kausal sei.

Oder ist man einfach ein Spieler des FC Bayern, wenn man genug Frustrationstoleranz hat, den Verein zu ertragen :-) ?

Kommentar vom 2020-03-03, 20:24

@Kommentator(in) von 19:29: Es geht in dem Paper aber nicht um Fußball-Training, sondern um Mathematik. Die Fußballer üben Fußballspielen und spielen dann Fußball, zumindest oft. Aber die Studis üben Mathe und bedienen dann Excel, exakt wie im Cartoon, den ich verlinkt hatte. J.L.

Kommentar vom 2020-03-04, 09:31

Danke, dass Sie der Fußballisierung der erkenntnistheoretischen Methoden und Beispiele hier so vehement widersprechen. :-) [Rest des Kommentars wegen der Wortwahl gestrichen. J.L.]

Kommentar vom 2020-03-04, 09:50

Kraniometrie, gewiss. Biologisierung sozialer Stratifizierung. Oder der sogar bei Pädagogen übliche faschistoide Begriff von "white trash" bei der Beschreibung bildungsferner Gruppen. Und der Artikel zu "Depressionsmarkern auf dem Genom" und der futilen Folgeforschung, den Sie neulich dankenswerterweise ausgegraben hatten, :-) ist eine deutliche Warnung, was beflissener unkritischer "wissenschaftlicher" Nachwuchs dann damit anstellen kann. :-/ Aber die Finanzierung flächendeckender, gut ausgestatteter Ganztags-/Gesamtschulen mit einem angemessenem Lehrer-/Schüler- Verhältnis ist im Neoliberalismus wohl mittlerweile ausgeträumt. Wenn man heutzutage einige der ultraprogressiven Kindersendungen der 70/80er und deren Visionen schaut, erfährt man, was verloren ist. (Rappelkiste war politisch derart als links verrufen, da gab es Sendeverbote in gewissen Gegenden.) Haben Sie als Kind eigentlich ferngesehen?

Kommentar vom 2020-03-04, 11:23

@Kommentator(in) von 09:50: Ja. Paulchen Panther, bei Schulkameraden. Merkt man das doll? J.L.

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