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Mit den unausweichlichen Grenzen der Rationalität umgehen

2020-11-13 23:48

Wie man im Jazz jahrelang übt, um zu improvisieren, so sollte man eigentlich alles, was man lernt, lernen, um Intuition aufzubauen – automatisches, aber trotzdem wahrscheinlich richtiges Entscheiden bzw. Handeln. Man hat in keiner Situation alle Fakten und erst recht nicht beliebig viel Zeit. Daran erinnert mich gerade der Artikel Zur Rationalität der Intuition.

"Die gegenwärtigen Demokratien haben die Überforderung der Bürger durch eine hyperkomplexe Welt bislang nicht ernst genug genommen." – Da fehlt mir aber vorher noch die Überforderung der Politik schon durch einfache statt hyperkomplexer Zusammenhänge.

Bei dem Satz "dass nicht Lösungen für ein Problem gesucht werden, sondern dass es etablierte Lösungen gibt, die sich auf die Suche nach passenden Problemen machen" musste ich an Akademisierung und an institutionalisiertes (oder treffender*: institutionalized) Lifelong Learning denken.

* if you catch my drift

Kommentar vom 2020-11-14, 10:27

Abseits der Politik fällt mir dabei als krasser Gegensatz das Ingenieurstudium ein. Was in den ersten Semestern gelehrt wird, kommt später kaum oder sehr wenig wieder vor. Gleichzeitig ist das, was gelernt wird so grundlegend, dass man es wahrscheinlich nur als WissenschaftlicherInn/Wissenschaftliche/r MitarbeiterInn benutzten kann, da in der Industrie auf endlose Batzen von Softwarelösungen gesetzt wird. Man meint, dass Programmierkenntnisse lächerlicher Zusatz ist, da die Medien damit undifferenziert um sich schmeißen. Dabei findet man unmöglich als Ingenieur einen Job, egal in welchem Bereich, ohne dass man programmieren kann. Das Verständnis der Physik hinter Halbleitern o. ä. ist vollkommen irrelevant. Nehmen wir die Energiewirtschaft: Generator/Motor und Co. alles egal! Smart Grid, Microgrid, Blockchain und KI sind die Stichworte -> Technische Informatik/Informatik als Studiengang.
Zum Anfang: Programmieren in den ersten zwei Semestern lehren, dann fünf Semester zum Vergessen. MFG.

Kommentar vom 2020-11-14, 10:43

1000-Zeichen-Grenze: Die Pointe ist, dass in den sieben Semester Bachelor aufgrund von nur kurzzeitigem "Benutzen" des Know-Hows absolut keine Intuition entstehen kann.

Kommentar vom 2020-11-14, 11:08

@Kommentator(in) von 10:27: Nun ja, um mit den Buzzwords "Smart Grid", "Blockchain" und "KI" um sich zu werfen, muss man in keinster Weise studiert haben. 99,9 % Marketing, aber etwas Tiefsinnigeres steckt selten dahinter. – Dass die Inhalte der ersten Semester (Kraft/Arbeit/Energie/Wärme/Leistung, lineare Näherung, Effektivwert, Blindleistung, Fourier, Fachsprache Englisch usw.) so selten im Job vorkommen, liegt vielleicht vor allem daran, dass sich die Absolvent*innen solche Jobs suchen, in denen diese Sachen eben nicht vorkommen, sondern man seinen Tag mit Bastel-Lösungen, Marketing und dem Eintippen in vorgefertigte Excel-Tabellen verbringt. J.L.

Kommentar vom 2020-11-14, 11:45

Sicher gibt es diese Studis. Der Fehler ist allerdings zu glauben, dass man mit gutem Studium und Willen einen Job findet, wo dieses von Ihnen angesprochene Know-how gefragt ist. Denn das Problem dabei ist, dass diese Jobs mehr voraussetzen als das Können und Interesse in diesen Gebieten. Die Studies müssen für den Job leben, Work-Life-Balance ist ebenso Marketing. Familiengründung -> keine Chance, weil keine Zeit. Auslandsaufenthalte und soziales Engagement während des Studiums sind Pflicht. Am Beispiel OWL ist gut zu sehen, wie wenige solcher Stellen ausgeschrieben sind. Schaut man bei BASF-Bielefeld oder Siemens vorbei, sieht man bestätigt, was ich schrieb. Für Miele muss dort entweder dual studiert worden sein oder man muss 3-5 Jahre agil gearbeitet haben. Von dSPACE braucht man erst gar nicht sprechen. Und dann stellt sich noch die Frage, was machen die Leute, die nicht gut abschließen, sondern schlecht und über der Regelstudienzeit? MFG.

Kommentar vom 2020-11-14, 19:11

@Kommentator(in) von 11:45: "[W]o dieses von Ihnen angesprochene Know-how gefragt ist": Ich hatte geschrieben: "Kraft/Arbeit/Energie/Wärme/Leistung, lineare Näherung, Effektivwert, Blindleistung, Fourier, Fachsprache Englisch usw." Falls das in unserem Zeitalter der ins Bodenlose sinkenden Standards schon Know-how sein sollte, schlage ich vor, dass wir in Deutschland statt einer Ingenieursausbildung nur noch Marketing und Vertrieb für 中国制造 machen und dazu ein paar Beschwörungsformeln wie "KI" und "Blockchain" murmeln. J.L.

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