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TUM-Student*innen können keine PISA-Aufgaben

2021-08-02 13:02

Das, was Autor*innen in einer Studie offiziell sagen wollen, ist ja immer mit Vorsicht zu genießen (confirmation bias, p-hacking usw.). Viel spannender – weil authentischer – ist meist, was sie nebenbei ausplappern, so wie in Different complex word problems require different combinations of cognitive skills.

Die*der des Lesens Mächtige lernt hier nämlich nebenbei erstens, dass es in den Ingenieurwissenschaften an der TUM (für die Uneingeweihten: Deutschlands Eliteuni Nr. 1) eine Erstsemester*innenveranstaltung mit 1500 Teilnehmer*innen gibt (S. 8 im PDF). (Wozu bezahlen die Eltern dann eigentlich die Münchner Wuchermieten?! Aber das ist jetzt ein anderes Thema.)

Zweitens erfährt man, dass von den an der Studie teilnehmenden 86 % (sehr ungewöhnlich hohe Beteiligungsquote!) 77 % nicht die für 15-Jährige gedachte PISA-Aufgabe mit der Drehtür gelöst haben. Zwei andere Aufgaben hat jeweils etwa nur die Hälfte gelöst (Tabelle 3 auf S. 11, Aufgaben auf S. 17ff).

Das offizielle Thema des Papers finde ich dagegen nicht spannend. Kein Wunder, dass man für solche Aufgaben "verbal skills" benötigt. Solche Aufgaben sind ideal zur Reproduktion nicht nur sozialen und kulturellen Kapitals – was ich ja sowieso für den heimlichen Grund des Mathematikunterrichts halte.

"[C]omplex word problems are considered a comprehensive indicator of mathematical skills." (S. 2 im PDF) Nein, solche Aufgaben entstehen vor allem, indem man Abi-mäßig "kompetenzorientiert" die Lösung in der Aufgabe zu verstecken versucht. Intellektuell herausfordernde Aufgaben sind dagegen gerne kurz: Bestimmen Sie alle Nullstellen der Zeta-Funktion! – Außerdem scheint mir hier eine saubere Unterscheidung zwischen "kompliziert" (etwa die Steuererklärung: nicht der Mathematik würdig) und "komplex" (etwa ein neuronales Netz) angesagt.

Zum Durchhaltevermögen findet sich nichts in dem Paper, obwohl: "The students received a 40-page booklet (DIN A4) […], students were asked to read the specific part's introduction, which contained information about the nature of the tasks within that part and a solved example task[.]" (S. 9) "[T]asks that were left blank were coded as incorrect." (S. 8) Auch zu den Deutschkenntnissen habe ich nichts gesehen, wobei mir allerdings aus dem Papier nicht klar wird, in welcher Sprache das Ganze durchgeführt worden ist. Und organisatorisch: Wie führt man einen so riesigen Test durch, ohne dass die Teilnehmer*innen sich von ihren Nachbar*innen, äh, inspirieren lassen? Ist dieser Test sowieso schon lange her? Oder war der wegen der C…-Semester online?

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