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Das phantastische Paralleluniversum der Bildungswissenschaften

2021-09-07 21:17

Wenn die Kolleg*innen aus der Bildungsforschung der Politik so etwas einflüstern, dann erklärt das allerhand:

"Hard Skills wie Programmieren sind gar nicht so entscheidend, denn ein grundsätzliches digitales Verständnis bringen die meisten Bewerber:innen sowieso mit. Durch die Tools und Kurse, die es heute gibt, kann man in zwei Monaten lernen, wie man ein selbstfahrendes Auto programmiert – in Zukunft werden sich die meisten Programme ohnehin von selbst schreiben." (SPON)

Zugegebenermaßen klingt das für die Medien und die Politiker*innen deutlich sexyer als das, was ich dazu sagen würde. Aber ich fange sicherheitshalber schon mal an zu planen, wie ich Mathematik und Informatik demnächst im Stuhlkreis unterrichtelernbegleite.

Kommentar vom 2021-09-07, 21:38

Naja, jemand hat vor sieben Jahren in der Zeit geschrieben: "Das Mathematik-Curriculum der Ingenieure ist vielleicht bloß eine Hinterlassenschaft aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende, als die Technischen Hochschulen um ihre akademische Anerkennung gekämpft haben", wen wunderts, wenn die Leute nur hören (wollen) "... kann bald wegfallen.". Jetzt ist es halt das Programmieren.
Gruss (dg)

Kommentar vom 2021-09-07, 23:52

Kann man Bildungswissenschaftler überhaupt ernst nehmen? Stichwort "Skin in the Game".

Bei dem hier angeführten Zitat rollen sich mir schon mal die Zehennägel hoch.

Kennen Sie übrigens das Essay "A Mathematician's Lament"? Der Autor bringt u. a. die provokante These, dass es Pädagogik eigentlich gar nicht gibt. Der Gedanke ist mir mit der Zeit immer sympathischer geworden ...

-M.F.

Kommentar vom 2021-09-08, 00:52

@dg: Wer mag jener Jemand bloß gewesen sein? ;-) Wobei der im OP zitierte Kollege ja härter drauf ist, so nach dem Motto: den Pipifax lernt man doch mal gerade eben so. J. L.

Kommentar vom 2021-09-08, 01:05

@M.F.: Ja, ist bekannt. Ich denke, die dort beschriebenen Probleme sind im Wesentlichen dadurch entstanden, dass man glaubt, flächendeckend allen Leuten Mathe (wohlgemerkt Mathe statt Mathematik) reindrücken zu müssen, siehe auch das Zitat im Kommentar von dg. Ich kann mir vorstellen, wie sich das anfühlt; mir ist es umgekehrt mit dem Sport-Unterricht so gegangen. J. L.

Kommentar vom 2021-09-08, 11:57

Aber jetzt mal im Ernst: Ein Informatikstudium ohne Kenntnisse in einer Programmiersprache erwerben zu müssen, müsste doch eigentlich zeiteffizienter sein, weil Programme doch eigentlich nur kodierte Lösungen sind, welche in der Sprache der Mathematik bereits vorliegen? Also der Übersetzungsweg: Mathe, Code, Exe könnte doch tatsächlich durch automatische Kodierung abgekürzt werden? Welchen Stellenwert hat eine Programmiersprache im Informatikstudium im Vergleich zum Bereich der Alltags und der Alltagssprache?

Kommentar vom 2021-09-08, 14:06

@Kommentator*in von 11:57: Hmmm, wie sollen denn etwa die Corona-Warn-App, Microsoft Word oder die Amazon-Website in der Sprache der Mathematik aussehen? Vielleicht wie monströse Polynome? – Die oft betriebene Gleichsetzung von Programmiersprachen und natürlichen Sprachen ist hochproblematisch. Der (pun intended) Witz an natürlichen Sprachen ist ihre Effizienz durch Mehrdeutigkeit und Regellosigkeit; Grammatik ist dort Beobachtung, nicht Vorschrift, außer (noch) in Deutschland. Außerdem beziehen sich natürliche Sprachen auf die unscharfe Lebenswelt und nicht auf eindeutig definierte Situationen im Rechner. Und man kann man in den meisten Alltagsgesprächen nicht aus, sagen wir, einem halben Dutzend Sprachen wählen, je nachdem, welche für den jeweiligen Aspekt gerade effizient ist. J. L.

Kommentar vom 2021-09-08, 14:51

Vermutlich wäre auch ein Studium der Zahnmedizin ohne die ganzen Übungen am Patienten sehr viel "zeiteffizienter" für die Studierenden und die Professoren. :-)
Gruss (dg)

Kommentar vom 2021-09-08, 15:44

@dg: Das Medizinstudium sollte sich folgerichtig darauf beschränken, wie man die Abrechnungen so maximiert, dass sie trotzdem bei Kassen und Privatpatient*innen durchgehen. OK, das zu lernen, dauert wegen der termini technici ein paar Semester, nicht zwei Wochen. Oder gibts dafür schon ne App? (Hallo Entrepreneurs!) J. L.

Kommentar vom 2021-09-08, 16:06

Herr de Haan ist 70 Jahre alt, hat Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie studiert und im Zweifelsfall noch nie in seinem Leben eine Zeile programmiert. Aber er sitzt in vielen Gremien und ist "Bildungsforscher". Auf solche Leute hört die Politik.

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