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Class et al.: Gewissensbisse – Fallbeispiele zu ethischen Problemen der Informatik

2023-08-09 21:36

Das Open-Access-Buch rankt sich um 50 arg brav ausgedachte und etwas cringy nach Art von Schüler*innenaufsätzen erzählte Geschichten. Ich vermisse aber ganz schwer das brutale pralle wahre Leben, vielleicht so etwas:

Es mangelt nicht nur an solchen saftigen Storys; vielmehr gibt das Buch auch keinerlei Lösungshinweise, sondern belässt es bei (teilweise suggestiven) Fragen. Geschäftsidee von mir: Ein Lösungsbuch schreiben, aber das natürlich nicht Open Access machen. Die Leute, die die Klausur bestehen wollen, werden sich das schon kaufen, äh, kopieren.

Oh, aber die Prüfung soll nur ein Referat und eine Hausarbeit werden (S. 22). Das ist in Zeiten von ChatGPT optimal, kam aber auch schon vorher gut an: Hunderte an Bewerbungen auf zwölf (!) Plätze in der Veranstaltung (S. 23). Ob man da auf Undurchfallbarkeit spekuliert?

Die ist in unsere Zeiten der überhöhten Anforderungen an Student*innen auch unbedingt nötig. Wir arbeiten dran: "In Informatik-Studiengängen sind leider nicht immer Pflichtkurse über Informatik und Ethik oder ähnliche Themen vorgesehen." (S. 20) Um den Studienerfolg noch mehr zu sichern, sollten aber, finde ich, noch weitere undurchfallbare Pflichtkurse dazukommen, mindestens zu Nachhaltigkeit, Digitalität, Diversität, Agilität.

Die Bedeutung der Wissenschaft namens Ethik wächst enorm, weil es einem immer schwerer gemacht wird, zu begründen, warum man in den Flieger steigt, warum man Fleisch isst und das neue iPhone haben muss. Da geht intellektuell schon was mit Rechtfertigungen; man muss halt seinen Kopf mal anstrengen. Ähnliches klappt in der Theologie doch seit Jahrtausenden!

Ethik verhält sich zur Moral wie Mathematik zum Rechnen. OK, das ist jetzt etwas gewagt formuliert, aber lasst mich ausreden: So wie wir in der Mathematik Differentialgleichungen und Fourier behandeln, ohne dass die Leute das Bruchrechnen beherrschen, so behandelt man dann die Winkelzüge der Ethik, aber die Leute verhalten sich nicht mal elementar moralisch. Und Letzteres gilt vielleicht sogar für manche Student*innen, nicht nur für die Prof*innen!

Am Ende des Buches gibts die Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 ohne jegliche Einordnung, wie westlich-zentristisch und damit kolonialistisch die ist. Oh, wir brauchen überhaupt noch einen weiteren Pflichtkurs: Dekolonialisierung.

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