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Die Blog-Postings sind Kommentare im Sinne von § 6 Abs. 1 MStV. Der Verfasser ist Jörn Loviscach, falls jeweils nicht anders angegeben. Die Blog-Postings könnten Kraftausdrücke, potenziell verstörende Tatsachenbehauptungen und/oder Darstellungen von Stereotypen enthalten. Die Beiträge der vergangenen Wochen werden als Bestandteil der Internet-Geschichte in ihrer ursprünglichen Form gezeigt. Menschliche Autor*innen können unzutreffende Informationen über Personen, Orte oder Fakten liefern.
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2025-04-13 21:49
Wir Boomer*innen wissen doch schon seit zig Generationen ganz sicher, dass die Jugend zu nichts nutze ist. Denn wo ist das persische, makedonische, römische, mongolische, spanische, portugiesische, britische Imperium hin? Aber sowohl der Titel Akadämlich
als auch der Untertitel Warum die angebliche Bildungselite unsere Zukunft verspielt
dieser Entrüstung in Buchform betreiben Victim Blaming. Schuld sind wir, die wir zum Beispiel zugelassen haben, dass an den Schulen nicht mehr gelernt wird, sondern nur noch ein Kompetenzerwerb simuliert wird.
Im Inneren des Buchs wirds besser als auf dem Titel: Diese Eltern behüten ihr Kind, stellen wenige bis keine Maßstäbe auf und geben keine Grenzen vor. Das Kind wird unter allen Umständen und überall beschützt und ist das Lebensprojekt.
(Stelle im EPUB: /6/30!/4/2/20) Das bringt auf eine Idee, warum Leute nun plötzlich VUCA
als Modethema pushen. Zwar haben die Steinzeitmenschen im Team und unter Lebensgefahr Mammuts gejagt, ohne Wettervorhersage und ohne Bürger*innengeld, aber wir haben das halt zwischenzeitlich alles wieder verlernt.
Vielleicht gibt es aber auch andere Gründe als die Enkulturalisierung? Im Buch kommen die üblichen Verdächtigen vor: Smartphones. Aber ich hätte auch Mikroplastik oder Feinstaub anzubieten. Immerhin ist sich die Wissenschaft
einig, dass das verbleite Benzin früherer Jahre (Flugbenzin ist teils immer noch verbleit!) die Verbrechensquote erhöht hat.
Die Symptome in der Lehre kennen wir, die wir nicht Edfluencer*innen auf LinkedIn sind, alle nur zu gut: Sonst gibt es die Gefahr des zu vielen Lernens, und diese muss unbedingt vermieden werden.
(/6/18!/4/2/56) Noch nie, in keinem Jahrgang in allen 60 Semestern, haben mehr als 25 Prozent der Studierenden diese Gelegenheit genutzt und eine Probeklausur geschrieben.
(/6/18!/4/2/56) Es bleibt für mich ein Phänomen, womit sich junge Menschen auf dem Smartphone den ganzen Tag beschäftigen und wie sie es dabei zielgerichtet schaffen, jeder aktuellen gesellschaftlichen Nachricht aus dem Weg zu gehen.
(/6/24!/4/2/38) Sie haben Abitur, gehen aber mit der deutschen Sprache nicht ausreichend sicher um.
(/6/26!/4/2/54) Allerdings räumt die KI nun die letztere Hürde aus dem Weg, wie mich die E-Mails und Abschlussarbeiten der jüngeren Zeit lehren.
Wenn sich Professoren auf die freiwillige Mitarbeit verlassen, wird der Gesprächskreis klein.
(/6/22!/4/2/92) Ich würde noch ergänzen, dass die letzte Reihe im Raum immer die vollste ist. Aber die Autorin ist da knallhart und setzt auf Cold Calling (/6/22!/4/2/12 und /6/22!/4/2/94) Das mache ich lieber nicht – in der Befürchtung, dass es dann noch leerer würde.
Die Autorin bewertet Klausurabgaben, die weitgehend identisch sind, alle als 5,0 (/6/18!/4/2/68). Ich müsste das dagegen an den Prüfungsausschuss weitergeben (OK, sie ist Prüfungsausschussvorsitzende) und der würde zwischen Abschreiben und Abschreibenlassen unterscheiden müssen, weil Letzteres nur eine Störung und keine Täuschung ist. Und ich erinnere mich an meine Schulzeiten, zu denen ich doch mal Leute meine Hausaufgaben habe abschreiben lassen, weil ich hoffte, dann mittags etwas unbehelligter nach Hause zu kommen. Und das ist Jahrzehnte her! Der Autorin scheinen solche Beweggründe eigentlich nicht fremd zu sein, denn sie berichtet, dass mal drei Brüder zu einer eindringlichen und erfolgreichen Notennachbesprechung mitgekommen sind (/6/26!/4/2/82).
Im Buch fehlt komplett, dass mit einer zeitgemäßen Hochschullehre (im Falle der Autorin in Modulen aus dem Gebiet Jura) alle solchen Probleme der Vergangenheit angehören würden! Es ist keine Rede von MOOCs, Flipping, Post-its an Glaswänden aka Design Thinking, KI-Agent*innen, VR-Brillen für Gerichtsverhandlungs-Games und natürlich Escape-Rooms für die Strafvollzugs-Simulation. Außerdem delegitimiert die Autorin die Ways of Knowing der Student*innen (/6/14!/4/2/38). Aus unserer positionierten, von hegemonialen Bildungstraditionen geprägten Boomer*innen-Perspektive können wir die hybriden Wissensformen von TikTok, Insta usw. überhaupt nicht angemessen würdigen!
Die Autorin plädiert für eine stärkere Betonung der Berufsausbildung (/6/20!/4/2/104). Nein, das halte ich für eine extrem schlechte Idee. Personen, die eine linke Hand zu viel haben, oder denen es am räumlichen Vorstellungsvermögen oder an Gewissenhaftigkeit mangelt, sollen bitte weiterhin eine Geistes- oder Sozialwissenschaft studieren und keine, keine, keine handwerkliche Ausbildung machen.
Ich kann ein Lied von den Folgen singen. Das Injektionsschlauchsystem der weißen Wanne nicht gefüllt: Estrich des Kellers muss wegen des Wasserschadens wieder raus. Dichtungsring falsch in den Brenner eingelegt: Gastherme fackelt das Material der Schalldämmung ab. Überwurfmutter so fest angezogen, dass sie platzt: große Pfütze mit dem sauren Kondensat. Unklar, bis zu welchem Wasserstand der Wassersammler Wasser sammelt: Die falsche Montage konnte ich gerade noch verhindern. Die Nachbarn hätten noch ein paar weitere Strophen zu diesem Lied beizusteuern: Wasserschaden an Klinkerwand, weil das Fallrohr bei Regen abgefallen ist. Küche unter Wasser wegen fehlerhafter Installation der Armaturen. PV-Modul fällt kurz nach der Montage vom Dach. – Also nein, dann statt einer Berufsausbildung lieber ein Studium, mit dem man nix kaputt machen kann. Wenn man nicht ausgerechnet in die Politik geht.
Die häufige Verwendung des Ausdrucks Kommilitonin
/Kommilitone
als Synonym für Student*in finde ich eigenwillig. Und den Professorinnentitel auf dem Buchdeckel finde ich etwas cringe. Die Autorin muss auch an ihrer SEO arbeiten, denn bei der Suche nach weiteren Publikationen erspähe ich nur Verweise auf ihre Dissertation und auf ein Buchkapitel. Aber ich ergötze mich an den Wundern der unsichtbaren Hand des Markts: Das E-Book ist einen satten Cent billiger als die Print-Ausgabe, woraus man messerscharf folgern darf, dass ein Buch sich für einen Cent drucken, binden und versenden lässt.
Kommentar vom 2025-04-14, 23:15
Also bitte, ein Fallrohr muss auch mal fallen dürfen!
Mein Bruder pendelt gerade samt Familie und Neugeborenem zwischen Hotels, Ferienwohnung und Elternhaus hin und her, weil ein Installateur eine Niederdruckarmatur an eine Hochdruckleitung angeschlossen hat. 3 Stockwerke inkl. 2 Geschossdecken im Mehrfamilienhaus durften das "ausbaden".
Da ist es doch ganz gut, dass Ihre StudentInnen das alles in Ihrem Keller schonmal probiert haben.
Kommentar vom 2025-04-15, 09:43
Danke für den Artikel! Und Sie haben beide recht, wie ich finde. Es ist wichtig und gut, dass Standpunkte zu solchen aktuellen gesellschaftlichen Themen auf diese Weise eingenommen und diskutiert werden. Danke!
P.S. Metaebene: Neben der Unterhaltsamkeit finde ich den Beitrag auch informativ und bildend.
Kommentar vom 2025-04-16, 13:14
Wenn die Autorin überwiegend im Wirtschaftsrecht lehrt, hat sie es allerdings mit einem Teil der Studentenschaft zu tun, der ganz besonders auf einer "standesgemäßen" Aushändigung guter Noten jenseits von Leistung besteht. Daher: Wanderer, beginnst Du eine akademische Laufbahn, wähle Dein Fach weise, um nicht als Professor später angesichts der Studenten weinen zu müssen.
Kommentar vom 2025-04-17, 17:42
Du bist wirklich zum Boomer geworden.
Kommentar vom 2025-04-17, 22:52
@Kommentator*in von 17:42: Niemand wird zum Boomer. Man ist wie ich (Jahrgang 1965) als solcher geboren. J. L.
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