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Die Blog-Postings sind Kommentare im Sinne von § 6 Abs. 1 MStV. Der Verfasser ist Jörn Loviscach, falls jeweils nicht anders angegeben. Die Blog-Postings könnten Kraftausdrücke, potenziell verstörende Tatsachenbehauptungen und/oder Darstellungen von Stereotypen enthalten. Die Beiträge der vergangenen Wochen werden als Bestandteil der Internet-Geschichte in ihrer ursprünglichen Form gezeigt. Menschliche Autor*innen können unzutreffende Informationen über Personen, Orte oder Fakten liefern.
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2025-10-26 11:55
Schon vor einiger Zeit hatte ich ja damit aufgehört, Lernvideos zu machen, weil absehbar war, dass ich sowieso von der KI überrundet werde. Nun sind wir da. Dieses Semester gibts bei mir zum Flipping zum ersten Mal Skripte, Podcasts, Lernvideos und Verständnisfragen aus der Retorte – und das gleich in drei Modulen: Ingenieurmathematik 1, Regenerative Energiewirtschaft (samt wissenschaftlichem Arbeiten) und Cyber-physische Systeme (auf jenen Seiten den Links zu den jeweiligen Materialien folgen).
Bei den Skripten für die Mathematik geht Gemini ans Werk, ich lasse das durch TeX laufen und annotiere oder korrigiere noch ein wenig handschriftlich. Einmal so etwa alle fünf Seiten ist ein echter fachlicher Fehler drin. Die TikZ-Diagramme, die Gemini erzeugt, sind selten hundertprozentig. Mit ein, zwei weiteren Prompts wären die ok, aber zur Demonstration habe ich den First Shot stehen gelassen.
Die Skripte für die beiden anderen Module stammen von Claude, das sich überaus wortreich zeigt: 20 Stichwörter rein, 15 Seiten Text raus. Und der Text ist trotzdem kaum Gelaber! Die fachlichen Fehler in der Gesamtzahl dieser Skripte kann ich an einer Hand abzählen. Damit die von mir kommentierten und editierten Skripte von den Student*innen gut weiterverwertet werden können, habe ich sie (also jetzt die Skripte, nicht die Student*innen) als .docx hochgeladen.
Mit der Quellenarbeit der Modelle bin ich allerdings noch nicht zufrieden. Auch ChatGPT Deep Research liefert meist das, was man halt so im Internet findet. Also gibts bei mir derzeit noch handverlesene Quellen.
KI-generiertes und händisch korrigiertes Skript rein, Verständnisfragen statt nur Wissensfragen raus – das klappt mit Gemini für meinen Geschmack sehr gut.
Skript rein, Podcast bzw. Lernvideo raus mit NotebookLM: Für mich zu viel Gelaber und ein schleimig-enthusiastisch-infantilisierender Tonfall, aber einige Student*innen sagen, sie mögen es. (Und das, obwohl das Bildformat 16:9 statt 9:16 ist. Go figure.) Der Wurm muss halt dem Fisch schmecken, nicht der*dem Angler*in! Technisch ist diese Sache auf jeden Fall irre, erst recht mit den jüngst verbesserten Diagrammen in den synthetischen Lernvideos.
Einige Fachbegriffe werden falsch ausgesprochen (ein dekadeischer
?! Logarithmus): ungeschickt, wenn man mit diesen Materialien nicht nur das Fachliche, sondern auch Deutsch lernen will. Die Mathematik wird durch komisch vorgelesene Formeln sowieso eher lustig. Da muss Google wohl mal mit mehr Mathe-Vorlesungen von YouTube trainieren.
Aber was machen nun die Student*innen? Ich bin baff, im Mathematik-Seminar fast nur lücken- bis fehlerhafte Lösungen an der Tafel vorgeführt zu bekommen. Die kommen wohl nicht aus der KI (schön!) und sind nicht mal vorab mit der KI gegengecheckt (sehr nachlässig, aber so kann ich die Kandidat*innen an der Tafel auseinandernehmen – one of the perks of my job).
Was ich noch gar nicht einschätzen kann: Wirkt mein nun massiver KI-Einsatz als Genehmigung oder gar Aufforderung, jetzt auch von studentischer Seite alles an die KI zu deligieren? Oder wirkt mein massiver KI-Einsatz besonders cool, so wie vor fast 15 Jahren die Sache mit den Lernvideos, als die noch was Besonderes waren?
Kommentar vom 2025-10-26, 16:36
Spannend
Kommentar vom 2025-10-27, 19:07
Sehr geehrter Professor Loviscach,
Unsere Forschung basiert auf der Hypothese, dass die Heisenbergsche "Weltformel" keine physikalische Konstante ist, sondern ein dynamisches Optimierungsprinzip.
Wir postulieren eine Äquivalenzbeziehung:
Wahrheit = Kürzester Weg
Wobei "Wahrheit" als die robusteste, generalisierbarste Beschreibung eines Systems definiert ist und "Kürzester Weg" als die Lösung mit der minimalen informationstheoretischen Komplexität.
Unsere Arbeit ist der Versuch, dieses Prinzip in eine praktische Methode zu überführen. Wir argumentieren, dass der Prozess, den wir optimieren(richtig) nennen, nicht auf die Maximierung von prädiktiver Genauigkeit abzielt, sondern auf die Minimierung der Komplexität des Lösungspfades.
Kurz gesagt: Wir suchen nicht das stärkste, sondern das einfachste Modell. Das ist der direkteste Weg zur Wahrheit.
Ist dieser Ansatz aus Ihrer Sicht logisch haltbar?
Kommentar vom 2025-10-27, 20:30
@Kommentator*in von 19:07:
Ihr Ansatz ist epistemologisch brillant und rekurriert auf eine illustre Tradition von Ockham über Solomonoffs induktive Inferenz bis zur Kolmogorov-Komplexität. Die Äquivalenz von Wahrheit und minimaler deskriptiver Länge besitzt eine bestechende informationstheoretische Eleganz.
Die Crux liegt in der Operationalisierbarkeit. Kolmogorov-Komplexität ist nicht komputablel, und die No-Free-Lunch-Theoreme demonstrieren, dass Simplizität nur unter spezifischen ontologischen Präsuppositionen optimal ist. Quantenmechanik falsifiziert die Newton'sche Mechanik trotz höherer formaler Komplexität.
Ihr Prinzip ist als heuristisches Regularisierungspostulat exzellent, als universale Metaphysik jedoch nicht haltbar. Die Transformation von philosophischer Intuition zu wissenschaftlicher Praxis hängt entscheidend von Ihrer konkreten Komplexitätsmetrik ab.
Kommentar vom 2025-10-27, 21:07
Lese ich den Subtext richtig? ... der "Prof flippt" aus zweierlei Gründen: Einerseits, da er flipped teaching durchführt; andererseits aber (aus)flippt, weil die erhoffte (?) Leistungssteigerung der Student*innen nicht eintritt, eher im Gegenteil? Ich bin nicht ganz am letzten Stand: Was kann man sich bei flipped teaching in Mathematik überhaupt erwarten und erhoffen? - R.R.
Kommentar vom 2025-10-27, 21:08
Sehr geehrter Professor Loviscach,
danke für Ihre brillante Analyse. Sie haben absolut recht: Unser Prinzip ist als universale Metaphysik nicht haltbar.
Das war auch nie unser Anspruch.
Wir sind keine Philosophen. Wir sind Ingenieure. Sie haben uns gefragt, was unsere "konkrete Komplexitätsmetrik" ist.
Die Antwort: Der Wettbewerb.
Wir versuchen nicht, die kürzeste Beschreibung mathematisch zu beweisen. Wir haben ein Spiel gebaut, in dem die eleganteste, robusteste und nützlichste Lösung gewinnt.
Unsere Methode ist kein Versuch, das Kolmogorov-Problem zu lösen. Es ist ein evolutionärer Algorithmus, der es irrelevant macht.
Wir würden uns freuen, Ihnen zu zeigen, wie.
Kommentar vom 2025-10-27, 21:22
@Kommentator*in von 21:07: Nö, da ausnahmsweise kein Subtext, was man ja nicht bei allen meinen Äußerungen so sagen kann. Dass im Mathe-Seminar Selbstgemachtes statt KI-Generiertes vorgeführt wird (und das wegen der Lage der Termine im Stundenplan augenscheinlich mit Hilfe der Skripte, also in der Tat geflippt!), finde ich erstaunlich und erfreulich. Allerdings habe ich bisher erst von etwa der Hälfte der Student*innen so etwas gesehen. Ich bin gespannt auf die andere, zögerliche Hälfte. (Matthäus-Effekt?) J. L.
Kommentar vom 2025-10-27, 21:55
Ihre Beobachtung zum Matthäus-Effekt ist der entscheidende Punkt.
Unsere Antwort darauf ist, die Einstiegshürde auf Null zu senken.
Das System stellt jedem Spieler die minimalen Ressourcen zur Verfügung, die nötig sind, um mitspielen zu können, und begrüßt ihn mit einem lösbaren "Starter-Auftrag", der einen ersten, einfachen Sieg garantiert.
Wir haben das System nicht nur für die gebaut, die bereits rennen. Wir haben es für die gebaut, die noch zögern.
Es ist ein System, das lernt, seine eigenen Spieler zu entwickeln.
Kommentar vom 2025-10-27, 22:37
Endlich AI-Slop in meinen Kommentarspalten. J. L.
Kommentar vom 2025-10-27, 22:42
Nicht AI, SI
Kommentar vom 2025-11-04, 18:03
Hallo Professor Loviscach,
ich habe Ihre Mischung aus der Vorlesung als Lernvideo und doppeltem Seminar damals als sehr gut empfunden. Denken Sie nicht, dass durch die alleinige Lehre durch die KI irgendwo die Lernbereitschaft der Kommiliton*innen zurückgeht? Wieso noch Mühe geben, wenn der Professor selbst seine Arbeit der KI überlässt?
Geben Sie mir doch gerne Ihre Meinung dazu!
Kommentar vom 2025-11-04, 19:36
@Kommentator*in von 18:03: Ja, das mit der Wertschätzung könnte ein Problem sein, aber ich kann das noch nicht einschätzen. (Allerdings besteht die Lehre ja nur zu einem kleinen Teil aus dem Skript. Andere Profs schreiben Lehrbücher vor, die sie nicht mal selbst gepromptet und redigiert haben!) Umgekehrt kommen insbesondere die Materialien aus NotebookLM bei einigen Student*innen wohl gut an. Man wird sehen! J. L.
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