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Fliegen ist tödlich

2019-06-10 11:46

Wie auch einige Kommentator(inn)en zu der haarsträubenden* Kolumne "Vor dem Absturz" anmerken, ist SPIEGEL / SPIEGEL ONLINE sehr heuchlerisch: Anderswo in diesen Medien gibt es nicht nur Flugwerbung, sondern sogar redaktionelle Flugtipps.

*Haarsträubend nicht nur wegen der eigenwilligen Darstellung des Flugbetriebs, sondern auch wegen dieses lachhaften Versuchs am Ende, Katastrophenstimmung zu erzeugen: "In Banda, im indischen Utta Pradesh, stieg die Temperatur diese Woche auf über 48 Grad Celsius, fünf Grad über die normale Temperatur für diese Jahreszeit." Der Autor scheint noch nichts von stochastischer Streuung gehört zu haben.

Wie kommen wir aber ernsthaft weiter bei diesem Problem? Kann man das Fliegen verbieten oder zumindest stark verteuern? Das zu versuchen, gäbe wahrscheinlich eine Revolution noch vor morgen früh: Die verhinderten Mallorca-Urlauber(innen) würden sich mit den Leuten verbünden, die dann nicht mehr ihre Kinder besuchen können, die in New York oder Sydney oder anderen hippen Locations studieren.

Man könnte es mit Schocksprüchen und Schockbildern wie bei den Zigaretten versuchen: "Fliegen ist tödlich" (Bild: ein Eisbärbaby in der Wüste, die/den Betrachter(in) hilflos anschauend) oder "Flugreisen vernichten Paradiese" (Bild: eine windzerzauste Palme, die noch zur Hälfte aus einem tobenden Ozean herausragt). [Nachtrag: Ich weiß selbst noch nicht, wie ernst ich das meine. Mich treibt die Hilflosigkeit.]

Bevor jemand anmerken muss, dass das ja alles nichts bringt, wenn anderswo auf der Welt Milliarden an Menschen überhaupt erst anfangen mit dem Autofahren und dem Fliegen: Ja, das ist ein riesiges Problem. Aber irgendwer muss den ersten Schritt tun -- und (noch) ist der "Westen" das große Vorbild.

Nachtrag: Welcher Verlag veröffentlicht eigentlich eine Ökobilanz? Papier gehört nämlich zu den Big-Five-Materialien. Und bevor mir jemand das als Kommentar schreiben muss: Ja, ich weiß, dass es schlimmer ist, ein Video von mir im Mobilfunknetz zu gucken, als eine Zeitung zu kaufen. Allerdings gucken die meisten Leute ja nur die ersten Sekunden! ;-)

Kommentar vom 2019-06-12, 18:29

Wohltuend, dass Sie dauernd und beharrlich den Widerspruch zwischen grüner Norm und dem Faktischen der s Alltagsbewältigung der beruflichen Mobilitätszwängen sich unterwerfenden Akademikern auf den Tisch bringen. :-) In der letzten oder vorletzten "Zeit" war beschrieben , wie moderne Vielflieger Väter innerhalb heterosexuellen Beziehungen, die in den ökologisch bildungsbürgerlichen Kreisen ankommende Flugscham gegen das Rollenbild des sich in der Reproduktionsarbeit engagierenden modernen Vaters, der Kinder pünktlich ins Bett bringt, aushandeln bzw. aufwerten!..Im Sinne von "Würde Robert die Bahn nehmen, käme er zu spät um Joshua ins Bett zu bringen. Interessante Überlegung innerhalb des heterosexuellen Genderensemble: ob bei Müttern das pünktlich zur Schlafenszeit vom Job in Berlin nach Köln zurückkehren, genau so gegen die Flugscham aufgewertet werden würde? Vermutlich spielt auch hier die Höhe des Einkommens und das social standing die entscheidende Rolle ...R. I. d. N.

Kommentar vom 2019-06-12, 18:47

Produktionsscham mit gelebtem Degrowth wären klasse wenn sie kollektiv wirksam würden ..Jeder Film und Foto Künstler müsste sich also grämen und im Grabe herumdrehen, weil jemand durch das Schauen von Kandinski´s Bildern, oder Fellini oder Agnes Vardafilmen den Klimawandel voran treibt? :-) Hmmmm...Möglicherweise ...Ich sammle gerade Artikel zu Publikationen zu dem "Climate Stress Disorder Syndrom" , also eine ICD Klassifikation gibt es meines Wissens noch nicht und erstaunlicherweise ist das Themenfeld in der deutschsprachigen Psychoanalytischen Theorie noch längst nicht so bearbeitet wie zu hoffen wäre.

Kommentar vom 2019-06-12, 20:43

@Kommentator(in) von 18:29, 18:47: Wenn sich die kosmopolitische obere Mittelschicht auferlegen würde, sich nur im Umkreis von nur 50 km statt 2000 km um den Wohnort zu bewerben (auch so eine Art Nichtangriffspakt), dann gäbe es dieses Problem nicht. -- Climate Stress Disorder Syndrome: Sehr interessant. Ich habe bisher nur medizinische Bücher gelesen, in denen es um Wassermangel, die Ausbreitung tropischer Krankheiten und das Wiederaufleben von Keimen aus dem doch nicht ganz so ewigen Eis ging. J.L.

Kommentar vom 2019-06-12, 21:40

Könnte es sein, dass deutsche Wissenschafter die Klimasensitivität von CO₂ deutlich überschätzen ? Die Chinesen bauen ja grad ein paar hundert neue Kohlekraftwerke. Würden die das tun, wenn Werte von 500-600ppm so fatal wären ? Kommen die zu anderen Schlüssen oder ist ihnen die Zukunft egal ? Für letzteres halte ich sie mit Blick auf ihre Jahrtausende alte Tradition eigentlich für zu schlau.

Kommentar vom 2019-06-12, 22:20

@Kommentator(in) von 21:40: Dann wohl nicht nur deutsche Wissenschaftler, sondern auch Leute aus ein paar Ländern mehr. Das Land der Mitte kann nicht schnell genug Atomkraftwerke bauen, um den Lebensstandard seiner Bevölkerung in der Breite zu heben. Aber keine Angst, die kommen noch nach. Und viel mehr Windturbinen als bei uns. J.L.

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