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Abkehr von SAT und ACT

2020-06-23 12:02

Das US-amerikanische 高考 in Form der SAT- und ACT-Tests hat einen schweren Schlag erlitten: Die University of California (also das bundesstaatsweite System) macht die Tests zunächst optional und will sie schrittweise mehr und mehr ignorieren (Quelle), wohl nicht zuletzt wegen der Vorwürfe, dass sich nicht jede(r) die Vorbereitungskurse (inkl. Sprachkurse) für diese Tests leisten kann.

Stattdessen will man bis 2025 einen neuen Test finden oder erstellen. Ich muss an xkcd denken. Die Kids der Affluenten werden dann also zwei Tests ablegen – mit guter Vorbereitung, versteht sich.

Und was heißt das Ganze für die Lage bei uns? Sollte man bei der Hochschulzulassung die Note des Schulabschlusses ignorieren, weil sich nicht jeder Nachhilfe leisten kann? (Anmerkung am Rande: Aber YouTube, Coursera & Co. sind doch "gratis"! Wo kann da bloß ein Problem sein?! 🤔)

Kommentar vom 2020-06-23, 13:53

Auf meinem "Elite"-Gymnasium früher hatte die Hälfte der [Beleidigung gestrichen J.L.] männlichen reichen Zöglinge, deren kognitive Leistung ihre Grenze bei Lacoste, Tennis, dem nächsten Disco-Abend & den schwellenden Busen der Mitschülerinnen erreichte, ohne Nachhilfe nie die Versetzung oder das Abi geschafft. Mit Last-Exit-Option Salem oder Schweizer Internat. Es ist zu befürchten, dass bei den Stuttgarter Randalen auch Abiturienten dabei waren; bei der Hochschulzulassung müsste die moralische, ethische Verfasstheit mitgeprüft werden, die Frage ist allerdings von wem. [Politisch unkorrekten Satz gestrichen, J.L.] Die Abi-Note wird bei vielen Fächern sowieso ignoriert, aber ein interessanter Selektionsmechanismus: Einen NC gibt es vor allem in den Fächern, in denen man ohne soziales Kapital sowieso keine steile Karriere machen kann. Um die Medizin als Fach tut es einem leid; die medizinische Versorgung drückt viel von dem Klassismus derer aus, die sie betreiben.

Kommentar vom 2020-06-23, 15:18

@Kommentator(in) von 13:53: "Moralische Verfasstheit prüfen": Au ja, eine Gewissensprüfung. Statt so mittelalterliche Methoden wie Feuerprobe und erweiterte Befragung anzuwenden, kann man da heute doch sicher was mit KI machen. – Welches Studienfach einen NC hat, scheint mir auch positiv mit den Verdienstmöglichkeiten im späteren Job korreliert, vielleicht auch negativ mit dem erwarteten Aufwand für das Studium. Die Nachfrage nach einem Studiengang bestimmt dessen Eintrittgebühr. Märkte. Überall nur Märkte. J.L.

Kommentar vom 2020-06-23, 16:38

Nochmal @Kommentator(in) von 13:53: Der Satz "zu befürchten, dass bei den Stuttgarter Randalen auch Abiturienten dabei waren" heißt im Umkehrschluss, dass Abiturient(inn?)en per se friedliche Menschen seien? Das hört sich für mich hochgradig klassistisch an. Aber ok, in Art. 3 (3) GG steht nicht "wegen seines Mangels an Kapital", sondern nur: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." J.L.

Kommentar vom 2020-06-23, 18:05

Wie schön, dass Sie als Matheprof all meine ehemaligen Dozenten für Marxismus, Adornitik und Staatstheorie nun locker links überholen, von denen hat nie jemand jemals den Begriff "klassistisch" benutzt. :-)

Kommentar vom 2020-06-23, 19:24

@Kommentator(in) von 18:o5: Die waren ja auch was Besseres. Das Sein bestimmt das Bewusstsein (wie Marx nie wörtlich geschrieben hat). J.L.

Kommentar vom 2020-06-23, 20:38

Salut! :-) Hier unter Studierenden/Promovierenden aus'm Arbeitermilieu führt man häufiger eine Diskussion darüber, ob man aus der Arbeiterschicht / dem Bildungsfernen-Milieu auch mal schön derbe & klassistisch sein darf, ;-) honestly, das ewig besonnen zartbesaitete, wohlbesonnene, bürgerlich Raffinierte hab ich in der Kommunikation meiner roughen Familie nie mitbekommen. Leider vergesse ich immer noch ab & an, Smilies zu setzen; der Satz über die Stuttgarter Randalierer war schon ironisch gemeint, wir sind ja hier nicht im Bildungsroman des 19. Jahrhunderts hängengeblieben, also im "Wahren, Schönen und Guten", in dem es keine Burschenschaften und auch per se keine studentischen SA/SS-Einheiten hätte geben dürfen. :-o Die extrem gewaltsame Begegnung von Jugendlichen mit einer immer inkompetenter agierenden Polizei finde ich wirklich bedrohlich. Von Studierenden - der künftigen Führungsschicht - im Mob hätte meine Habermas-Uni allerdings! besonnene Interaktion & Beschwichtigung erwartet. :-)

Kommentar vom 2020-06-24, 13:27

Kommentator 2020-06-23, 19:24 Ja bei den meisten Profs der marxistischen Theoriebildung war das wohl so; es gab aber auch entzückende Ausnahmen. Frank Deppe, der die Abendroth-Professur innehatte, war wirklich liebenswürdig. Und ein paar andere auch. Man darf aber nicht vergessen, dass es für bürgerliche Profs auch viele Entbehrlichkeiten bedeutet, ;-) auf der richtigen Seite zu stehen. ;-) Die Arbeiter seit den 80ern haben zu viel verloren, um sich noch von ihrer Rolle im Klassenkampf überzeugen zu lassen. (Selbst die IG-Metall-Band fordert 5,9 % statt Weltrevolution.) Die meisten Arbeiter wollen auch nur ein bisschen angenehmeres Leben & notwendigen Urlaub nach der Maloche, also nicht mal den Lebensstandard eines Grundschullehrers, geschweige denn eines Professors für Staatstheorie. :-) Im Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie steht Folgendes: "Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt."

Kommentar vom 2020-06-24, 16:22

@Kommentator(in) von 13:27: Das wissend hatte ich geschrieben: "nie _wörtlich_". – Und was die Weltrevolution angeht, hat sich halt die Ernüchterung breitgemacht. J.L.

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