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Die Blog-Postings sind Kommentare im Sinne von § 6 Abs. 1 MStV. Der Verfasser ist Jörn Loviscach, falls jeweils nicht anders angegeben. Die Blog-Postings könnten Kraftausdrücke, potenziell verstörende Tatsachenbehauptungen und/oder Darstellungen von Stereotypen enthalten. Die Beiträge der vergangenen Wochen werden als Bestandteil der Internet-Geschichte in ihrer ursprünglichen Form gezeigt. Menschliche Autor*innen können unzutreffende Informationen über Personen, Orte oder Fakten liefern.

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Erste Experimente mit Online-Proctoring

2020-05-05 19:37

Ein paar anfängliche Lektionen zur Klausuraufsicht per Videokonferenz:

PS: Eigentlich wollte ich mal Menschen etwas über Mathematik, Informatik, Physik usw. beibringen. Aber gut, dies hier fällt wohl unter "Informatik und Gesellschaft".

[Nachtrag: "Schriftliche Prüfungen (Klausuren) per Videokonferenzsystem" an der Uni Wuppertal (S. 5f)]

Kommentar vom 2020-05-05, 23:53

Oder unter "Überwachen und Strafen". Lektüre des Klassikers: Michel Foucault, Surveiller et punir, Naissance de la prison kann die Dinge ins rechte Licht rücken. Vielleicht muss man sich aber gemäß dem nicht mehr allzu neuen Prüfen-bis-zum-Umfallen-Paradigma mentalisieren. Hier ein Vorschlag: Die Sandelholzstrafe – Mo Yans blutige Oper über Liebe, Loyalität und Rebellion in China um 1900.

Kommentar vom 2020-05-05, 23:59

Das Ganze wird sowieso aufgrund der eintreffenden Klagen im Eilverfahren eingestellt werden; wir glauben doch nicht, dass sich die Juristen-Elite von morgen dieses Zuhause-Panoptikum gefallen lassen wird. Die Vase aus der Ming-Dynastie im Bildrand, an der ein 10.000-€-Schein klebt, "4 U, dear Dr. X ", und die Persönlichkeitsrechte der bettlägerigen Mitbewohnerin im Zweier-Zimmer im Wohnheim wären nur zwei Extreme, warum diese Form der Prüfung höchst umstritten sein wird.

Kommentar vom 2020-05-06, 11:26

Was ist mit den Studierenden, die a) kein Smartphone haben, sich b) weigern, darauf Zoom zu nutzen (Datenschutz) oder c) deren Smartphone abschmiert (Akku leer, aufgehängt, ...)? Und wie kann man das Pappstativ auf dem Sofa aufstellen (wenn man keinen Schreibtisch nutzt oder hat)? Und was ist mit den Studis, die keinen Rechner haben, und alles mit Smartphone machen wollen/müssen? Und, ja, man kann das mit denen üben und denen das alles schreiben, aber am Tag der Klausur um Punkt Neun, wenn Sie anfangen wollen, wird es so paar Prozent geben, die sagen "Oh, ich bin jetzt doch nur mit dem Smartphone drin, den Rechner braucht meine Mutter, ist doch auch OK, oder?" oder "Oh, ich hab jetzt keinen Tisch und das Smartphone fällt immer um und das geht doch jetzt auch so, oder?" oder die sich auf taub stellen (nicht hören, was man ihnen sagt, vielleicht weil, siehe Ihr letzter Post, Netflix zu laut läuft) oder so. Und dann verbraucht man mit denen Zeit, wie lange?

Kommentar vom 2020-05-06, 11:43

Sind das Ihre Gedanken oder ist das tatsächlich aktuelle Praxis an der FH [Ortsname gestrichen, J.L.]?

Kommentar vom 2020-05-06, 13:22

@Kommentator(in) von 23:59: Die Juristen machen ja stattdessen Take-Home-Prüfungen ohne Aufsicht. So profitieren sie (abermals) davon, sich nicht (komplett) auf Bologna eingelassen zu haben: Staatsexamen! Der Kollege Beurskens erklärt hier (mit grottigem Sound) die Details dieser Begründung. Allerdings lässt er (mit Gründen?) den Punkt aus, dass man sich die Klausur statt von Praktiker(inne)n wie Mama Rechtsanwältin oder Onkel Richter auch von der/dem Repetitor(in) schreiben lassen kann. Interessant ist, wie er mit seiner Begründung en passant darlegt, wie herzlich wenig praxisrelevant seine Klausur ist. J.L.

Kommentar vom 2020-05-06, 14:42

@Kommentator(in) von 11:26: Kein Smartphone? Hallo?! Wie soll wohl ein Leben ohne Smartphone gehen? – Das Thema "Datenschutz" habe ich bisher von Studierenden noch nie gehört. Aber das ist überhaupt eine gute Idee. Damit kann man viel mehr vereiteln als mit dem ollen "Und wozu brauchen wir das?". – Auch bei der bisherigen Klausur muss man es schaffen, den Wecker zu stellen, die richtige Straßenbahn zu nehmen usw. Wir sind ja nicht im Kindergarten. (Hat da gerade jemand gelacht?) Die Lösung mit Ein-Personen-Breakout-Rooms bedeutet, dass niemand sonst etwas davon mitbekommt, anders, als wenn bei der regulären Klausur jemand eine halbe Stunde zu spät ansprintet. (Ja. Passiert.) J.L.

Kommentar vom 2020-05-06, 14:46

@Kommentator(in) von 11:43: Es ist anderswo aktuelle Praxis. Mein Job ist es, vorzuschlagen, was bei mir Praxis werden könnte. Ich höre die Gegenargumente gerne vorher*, deshalb die Postings hier. J.L.
* Vielleicht ein etwas unzeitgemäßer Wesenszug. Für Erfolg ist angesagt: Move fast and break things.

Kommentar vom 2020-05-06, 20:18

Ja, es klingt wirklich furchtbar. Warum lässt Ministerium die Studierenden nicht in Ruhe & setzt sie diesem extremen Stress aus? Übungsblätter als Klausurersatz ... Ich habe etwas bitter gelacht, denn Kindergarten ist was anderes als Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Schwindel, Migräne, Menstruationsbescherden etc., was einen eben veranlasst, es nicht zur Prüfung zu schaffen, die richtige Straßenbahn erwischen meine neurodiverse hochbegabten Kommilitonen oft "echt" auch nicht. Dass verschiedene Etagen mehrstöckiger Hörsaalgebäude in unterschiedlichen Farben gestrichen werden, ist eine Hilfe für manch einen verwirrt erscheinenden Studi. Eigentlich sollte das Online-"Klausur-Gaming" ja ein mehr an Erleichterungen und Barrierefreiheiten bringen, da kam heute so eine Schönwetter-Rundmail vom IBS Studentenwerk. :-) skurril positiv ... Die Szenarien, die Sie in weiser Voraussicht beschreiben, sind aber leider eher dystopisch ...

Kommentar vom 2020-05-06, 20:26

J.L. am 2020-05-06, 13:22: Danke für die Hinweise auf die Modalitäten bei den Juristen und das Video. War mir nicht klar, dass Take-Home-Prüfungen die Option sind. Klasse, dass Sie sich diesem unangenehmen Thema vorab widmen; der BDWI bräuchte echt eine Standleitung zu Ihnen.

Kommentar vom 2020-05-06, 21:24

@Kommentator(in) von 20:18: In meiner Interpretation ist der Abschluss eines Studiums nur zum geringen Teil der Nachweis einer fachlichen Qualifikation – die sowieso binnen Monaten verblassen wird, nein, die schon zum Zeitpunkt der Abschlussarbeit zum größten Teil verblasst ist. Vielmehr (wie schon häufiger auf diesen Seiten erwähnt) ist der Abschluss eines Studiums im Kern ein teures Signal für Fleiß, Anpassungsfähigkeit und ein gewisses Maß an Intelligenz, je nach Studiengang und Studiensituation sicher auch ein Signal für die "richtigen Eltern" oder aber für Stressresilienz. Wenn man sich nicht den richtigen Platz in einer Behörde oder einem Großunternehmen sucht, dann ist das wahre Leben deutlich stressiger als jedes Studium. Ich habe da so meine Erfahrungen. J.L.

Kommentar vom 2020-05-06, 21:26

@Kommentator(in) von 20:26: Ich widme mich diesem Thema hier vorab, um vorher Bedenken zu hören und um das Ausmaß des Blowback einschätzen zu können. J.L.

Kommentar vom 2020-05-08, 08:33

Kommentator(in) von 11:26: Nun, ich habe einen telegram-Info-Kanal eingerichtet, nur für den (hoffentlich nie eintretenden) Notfall, dass das LMS abschmiert. Und darauf hat einer meiner Studenten geantwortet, dass er kein Smartphone hat! Und, ja, man muss auch bei einer normalen Prüfung rechtzeitig die Straßenbahn nehmen etc. Aber man hat in der Schule schon jahrelang Erfahrung mit derartigen Veranstaltungen. Die 5% der Studis, die immer irgendwie nicht zuhören und nicht so arbeiten, wie das gedacht ist, die werden jetzt eben auch besonders anspruchsvoll betreut werden müssen, damit die Prüfung durchführbar ist. Ich will (wahrscheinlich keiner will das) jedenfalls nicht die Erste sein, die dann eine Klausurdauer durch IT-Support leisten muss, nicht nur, weil das vom Aufsichtsjob ablenkt.

Kommentar vom 2020-05-09, 17:09

@Kommentatorin vom 2020-05-08, 08:33: Ist das nur eine technische Alternative oder sogar ein vorausgreifender Nachteilsausgleich, sozusagen? Das wäre besonders erfreulich, da die besondere "5%"-Zielgruppe, die Sie beschreiben, teilweise auf diejenige Gruppe von Studierenden mit speziellen Beeinträchtigungen hindeutet, der letzthin exemplarisch u. a. von einem bayerischen Gericht generalisierend der Nachteilsausgleich abgesprochen wurde. Diese Form quasi anachronistischer Diskriminierung schwerbehinderter Studierender wurde 2019 durch folgendes Rechtsgutachten des Verwaltungsrechtlers Prof. iur. Ennuschat im Auftrags des Studentenwerkes diskutiert & bewertet: "Studium und Behinderung: Nachteilsausgleiche für Studierende mit Behinderungen - Prüfungsrechtliche Bausteine einer inklusiven Hochschule", https://www.studentenwerke.de/de/content/nachteilsausgleiche-f%C3%BCr-studierende-mit

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