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Überlebenshilfen Mathematik
Jörn Loviscach, letzte
Änderung (rot markiert) am 2003-05-29
Gleichheitszeichen und Typen von Ausdrücken
Links und rechts von einem Gleichheitszeichen können nur gleiche "Typen"
stehen: Zahl = Zahl, Vektor = (gleichartiger) Vektor, Menge = Menge, Funktion
= Funktion usw. Zum Beispiel:
-
42 = 42
-
3 = 4 [falsche Aussage, aber grammatisch ok]
-
p = (3, 4, 5)
-
L = {sin(42°), cos(7°)}
-
f = tan
Stehen links und rechts dagegen verschiedene Typen, entsteht Kauderwelsch:
-
42 = (5, 6, 7)
-
{3, 4} = tan
Gegebenenfalls kann man solche Ausdrücke erlaube und definieren, dass
sie immer den Wahrheitswert "falsch" haben: Zwei Objekte von verschiedenem
Typ können nie gleich sein. Sicherer ist allerdings, solche Ausdrücke
nie auftauchen zu lassen.
Folgepfeile, logische Operatoren und Typen von Ausdrücken
Die Pfeile ==>, <== und <==> sowie die Und-, Oder- und Nicht-Operatoren
können nur mit logischen Aussagen (und Aussageformen) benutzt werden.
Jede andere Verwendung führt nicht zu einer wahren oder einer falschen
Aussage, sondern aus Sicht der Mathematik schlichtweg zu Unsinn ("Karl
grün gingen wo.").
Korrekt:
-
x = 6 UND y < 5 ==> x*y<30
-
x = 6 UND y < 5 <==> x*y<30
[falsche Aussage, aber grammatisch ok]
-
z = 35 ODER z = 42
-
a = 1 UND a = 2 [falsche Aussage, aber grammatisch ok]
-
a ist eine gerade Zahl ==> a ist Element von Z
Kauderwelsch:
-
x = sin(y) ==> 42+7
-
z = 35 ODER 42 [elegante kurze Formulierung: z
ist Element der Menge{35, 45}.]
Gleichungen erläutern
Praktisch keine Gleichung und keine Ungleichung kann unkommentiert stehen.
Was soll zum Beispiel "ax = b" heißen?
-
Für alle reellen Zahlen x gilt ax = b.
-
Gesucht ist eine rationale Zahl x mit ax = b.
-
Die Gleichung ax = b lässt sich nicht mit ganzzahligen x lösen.
-
Die Zahl b wird definiert mittels ax = b. [Besser:
b := ax mit Definitionszeichen Doppelpunkt-Gleich]
-
Es gibt keine zwei verschiedenen reellen Zahlen x mit ax = b.
-
...
Also immer dazuschreiben, was gemeint ist! Jeder Buchstabe, der nicht traditionell
oder aus dem bisherigen Verlauf heraus bereits eine Bedeutung hat, muss
quasi deklariert werden.
Voraussetzung und Folge
Verwechseln Sie nicht, was zu zeigen ist, mit dem, was gegeben ist. Stellen
Sie ggf. eine Liste auf, was gegeben bzw. bekannt ist. Erweitern Sie diese
Liste nach und nach um weitere, aus dem Gegebenen/Bekannten hergeleitete
Punkte.
Beispiel und Beweis
Ein Beispiel macht noch keinen Beweis -- es sei denn, man erklärt
oder es ist offensichtlich, wie sich das Beispiel auf den allgemeinen Fall
(ohne Ausnahmen!) übertragen lässt. Am Beispiel durchexerzierte
Beweise sind oft (aber nicht immer) leichter zu verstehen -- und leichter
zu finden. Wie man die Übertragung aufs Allgemeine sauber fasst, ist
allerdings eine höhere Kunst. Die meisten Fachbücher benutzen
abstrakte Beweise.
George Pólya
Der wohl erste Mathematiker, der sich große Gedanken über Lösungsstrategien
gemacht hat, war George Pólya (1887-1985). Seine Methode:
-
die Aufgabe verstehen (Was ist gesucht? Was gegeben? Skizze! Notation einführen!
...),
-
einen Plan entwickeln (Etwas Ähnliches bekannt? Problem umformulieren?
Von dem Gesuchten ausgehen? ...),
-
den Plan ausführen (und jeden Schritt überprüfen ...),
-
zurückblicken (Kann man das Ergebnis bzw. den Weg testen? Kann man
das Ergebnis anders erreichen? ...)
Einheiten
Seien Sie dankbar für Angaben mit Einheiten (4,3 Meter, 6 kg, 2000
Clicks pro Monat). Streichen Sie Einheiten nicht einfach weg, sondern benutzen
Sie die als Fehlercheck. Wenn für eine Geschwindigkeit 42 kg/m herauskommt,
ist offensichtlich etwas schief gelaufen. Ebenso kann man keinen Logarithmus
etwa von 23,5 km bilden, sondern nur von einheitslosen Zahlen. Das Gleiche
gilt für Exponentialfunktionen. Winkelfunktionen verlangen als Argument
eine Winkelangabe. Falls nirgendwo in den benutzten Größen die
Einheit Winkelgrad auftaucht, sind die Winkel im Bogenmaß zu verstehen,
d.h. einheitslos.
Außerdem helfen Einheiten, physikalische Zusammenhänge zu
finden. Beispiel: Von einer Sinuswelle mit 300 Hz soll der Wert für
das Sample mit der Nummer n bei einer Abtastrate von 44.100 pro Sekunde
angegeben werden. Lösung: sin(2*pi*300 Hz*n / (44.100/s)). Die Einheiten
und die damit ausgedrückte Proportionalität lassen praktisch
keine andere Wahl.
Korrektur lesen, Sonderfälle
Nachdem Sie einen mathematischen Text verfasst haben, lesen Sie den am
besten abschließend noch einmal Satz für Satz durch:
-
Haben Sie wirklich geschrieben, was Sie sagen wollen?
-
Kann man etwas vereinfachen, weglassen oder klarer darstellen?
-
Sind alle Sonderfälle abgehandelt? (Division durch null, nicht eindeutige
Lösungen, linear abhängige Vektoren usw.)
Text oder Formel?
Die elegantesten Begründungen kommen ohne (viele) Formeln aus. Wenn
Sie entdecken, dass ein einfacher Sachverhalt zu einer überbordenden
Rechnerei führt, denken Sie besser darüber nach, ob Ihr Weg effizient
ist. Aber Achtung: Mathematische Begründungen müssen logisch
wasserdicht sein -- ob mit vielen Formeln oder als reiner Text.
Vom Kleinen zum Großen
Ein oft hilfreicher Ansatz ist, ein Problem nicht sofort allgemein und
abstrakt anzugehen, sondern es sich erst "im Kleinen" anzusehen, z.B. mit
kleinen Zahlen. Suchen Sie nach Mustern, nach Spuren einer Lösung.
Gibt es einen Weg, um ein "großes" Problem kleinzuhacken, zum Beispiel
mit einer Rekursionsgleichung? (Teile und herrsche!)