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Mathematik?!

Wir sind nicht in der Schule. Es geht nicht darum, Formeln auswendig zu lernen, und nicht darum, Sachen in den Taschenrechner einzutippen und mit sieben Stellen hinter dem Komma abzuschreiben. In der Tat werden wir überhaupt keinen Taschenrechner benutzen und Ergebnisse meist gerundet auf zwei gültige Ziffern angeben. Das Ziel ist vielmehr, Mathematik kreativ zur Modellierung einsetzen zu können.

Die nackte Mathematik ist im Alltag zwecklos, man muss Verbindungen zur unsauberen wirklichen Welt herstellen, also Modelle davon bilden, mathematisch untersuchen und dann die Ergebnisse interpretieren. „Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit“ (Einstein). Modelle werden oft immer weiter verfeinert. Es gibt höchstwahrscheinlich für nichts Wirkliches ein endgültig exaktes Modell!

Welches dieser Modelle würden Sie in einem Computerspiel benutzen? Hängt das von der Art des Computerspiels ab? Wo werden sonst noch mathematische Modelle in der Medieninformatik verwendet?

Ingenieurmathematik und Forschungsmathematik

Uns interessieren Modelle, die erstens für den jeweiligen Zweck hinreichend genau und/oder verlässlich sind und zweitens möglichst leicht zu beherrschen sind. Dies ist eine Kunst ohne perfekt richtige Antworten. Sie bildet den Kern der Ingenieurmathematik. Beim Aufstellen von Modellen bedient man sich der Mathematik als Werkzeugkasten. Dazu muss man seine Werkzeuge gut kennen.

Die Art, wie die Forschungsmathematik solche Werkzeuge bereit stellt, unterschiedet sich schon in der Form stark von der Ingenieurmathematik: Mathematik als Studiengang und als Forschungsgebiet wird als Abfolge von Definitionen, Sätzen und Beweisen aufgeschrieben, meist noch gespickt mit einfach herzuleitenden, aber weitreichenden Folgerungen (Korollaren; Einzahl: Korollar) und Hilfssätzen (Lemmata; Einzahl: Lemma). Für Beispiele siehe die elektronischen Zeitschriften an der SUUB. Diese Art des Aufschreibens hat oft den Charme des Kleingedruckten in einem Vertrag, ist kaum anschaulich und deshalb in der Ingenieurmathematik rar.

Zoo der Teilgebiete

Landkarte der Mathematik

Grundlage aller heutigen Mathematik sind Logik und Mengenlehre. Alle höheren Objekte werden als Mengen konstruiert. So sind Zahlen, Abbildungen und sogar Rechenoperationen einfach nur kompliziert verschachtelte Mengen. Das ist allerdings für uns weniger interessant. Wichtiger ist, dass die Beziehungen zwischen mathematischen Objekten oft mit der Sprache der Logik und der Mengenlehre hingeschrieben werden. Entgegen dem üblichen Vorstellungen von Mathematik gilt allerdings als professionell, möglichst viel normalen Text zu verfassen und nicht alles in Formeln zu pressen.

Die Algebra (sprich: algeh-brah, nicht algö-bra) befasst sich mit Rechenoperationen auf Elementen, die sich mehr oder minder (eher minder) so wie gewöhnliche Zahlen verhalten. Man kann sagen, hier werden die Grundrechenarten und ihre Rechengesetze verallgemeinert und untersucht. „Algebra“ heißt anders als in der Schule nicht „Rechnen mit Buchstaben statt Zahlen“. Die Gruppentheorie als Verallgemeinerung von Addition oder Multiplikation hat hier ihren Ursprung. Die Lineare Algebra erforscht „lineare“ Gebilde wie Geraden und Ebenen mit Hilfe algebraischer Methoden. Hier werden Rechenoperationen mit Vektoren und Matrizen studiert; zum Beispiel Drehungen im Raum fallen darunter. Die (analytische) Geometrie, früher die Krone der Mathematik, ist weitgehend in der Linearen Algebra aufgegangen.

Die Analysis (sprich: a-nalli-siss, nicht ana-lüsiss) ist aus dem Ableiten und Integrieren von Funktionen hervorgegangen. Differentialgleichungen, wie sie etwa physikalische Systeme beschreiben, sind Gleichungen, in den Ableitungen vorkommen. In der Signalverarbeitung, wie sie etwa zur Klangfilterung oder Bild{be|ver}arbeitung eingesetzt wird, sind komplizierte Integrale wesentlich; dies fällt unter die Funktionalanalysis. Zu der gehören zum Beispiel die Fourier- und die Wavelet-Transformation.

Weitere Gebiete:

Topologie: Grenzwerte und Nachbarschaft; die Theorie der „Gummi-Objekte“

Stochastik: Berechnen von Wahrscheinlichkeiten

Statistik: Nicht das Sammeln von Daten, sondern deren fundierte Auswertung; insbesondere Vorhersagen von wenigen Stichproben auf gesamte „Bevölkerungen“; wichtig in Studien zum Benutzerverhalten, einschließlich Marktforschung; fußt auf der Stochastik

Kryptographie: Wissenschaft vom Datenverschlüsseln; betrifft abhörsichere Systeme, Zugangsberechtigungen, Bezahlsysteme, elektronische Unterschriften; hat in den letzten Jahrzehnten erstaunlich viel mit der zuvor für in der Praxis irrelevant gehaltenen Zahlentheorie zu tun; diese befasst sich insbesondere mit Primzahlen

Kodierungstheorie: hat nichts mit Verschlüsseln zu tun, sondern mit der fehlerarmen und sparsamen Übertragung von Daten; sorgt zum Beispiel dafür, dass eine CD oder DVD auch trotz leichter Kratzer ohne jegliche Störung abgespielt werden kann

Spieltheorie: sucht optimale Strategien für mathematisch definierte Spiele; interessant für Wirtschaftswissenschaftler; für ernstzunehmendes Spieldesign selten aussagekräftig genug

Differentialgeometrie: Theorie der gekrümmten Linien, Flächen, Räume und höherdimensionaler Objekte; galt als praktisch irrelevant, bis Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie mit diesen Mitteln formuliert hat; auch Grundlage von allen geometrischen Objekten vom Umriss eines Buchstabens bis hin zur Oberfläche einer 3D-Figur

Numerische Mathematik (Numerik): Auswertung von Fragen insbesondere der Analysis und der Linearen Algebra per Computer; Untersuchung von Genauigkeit und Laufzeit; Einsatz vor allen für Simulationen; derzeitige Krönung: Computational Fluid Dynamics (CFD)