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Homöopathie und Statistik

2020-06-27 22:02

Die Uni Hamburg (Der Forschung! Der Lehre! Der Bildung!) hat die Dissertation einer – laut ihrer Webseite – auf dem Gebiet der Homöopathie tätigen Ärztin angenommen. Es geht um einen Review der Studien auf dem bisher offensichtlich wenig beachteten Gebiet der Homöopathie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, so dass auch Erst- und Zweitgutachter aus der Psychotherapie stammen.

Der Höhepunkt der Arbeit ist sicherlich die bereits breit diskutierte Statistik der Publikationsjahre: "Die Spanne der Publikationsjahre reicht von 1993 – 2015. Der Mittelwert liegt bei 2006 mit einer SD von 6.78 Jahren." (S. 32) Die Verwendung von Dezimalpunkt statt Dezimalkomma lässt unsereins erkennen, dass hier professionelle Statistik-Software und nicht profanes Excel im Einsatz war. Zur Formvollendung fehlt nur noch ein p-Wert.

Angesichts der Zahl von 14 (vierzehn!) Studien ist auch hier die Präzision beeindruckend: "42.9 % der Studien stammten aus Indien, je 14.3 % aus der Schweiz und den USA, je 7.1 % aus Österreich, Brasilien, Kanada und UK. Kontinental betrachtet ergibt sich daraus folgendes Verteilungsbild: Asien 42.9 %, Europa 28.6 %, Nordamerika 21.4 % und Südamerika 7.1 %." (S. 33)

Andere hätten vielleicht an dieser Stelle die Datenanalyse kleinmütig abgebrochen und sich ein anderes Thema gesucht: "In 28.6% [der Studien] konnte die [jeweils untersuchte] Altersgruppe nicht bestimmt werden." (S. 34) Oder vielleicht an dieser Stelle: "In der Hälfte der Studien kamen verschiedenste statistische Verfahren zum Einsatz. In keiner dieser Studien wurden die Rohdaten so publiziert, dass statistische Verfahren nachgeprüft oder eingesetzt werden konnten um fehlende Informationen herzuleiten." (S. 39) Aber doch sicher hier: "In neun Studien gab es nur eine zu untersuchende Gruppe. In einer Studie wird explizit genannt, dass die Auswertung verblindet erfolgt. In den verbleibenden dreizehn Studien gibt es hierzu keine Angaben." (S. 39)

Nicht nur die wissenschaftliche Hartnäckigkeit der Autorin ist beeindruckend, sondern auch, wie sie stringent die systemische Benachteiligung nichtkontrollierter Studien vermeidet: "Die Untereinheit C (Confounders/Störfaktoren) bezieht sich nur auf kontrollierte Studien. Um eine Verzerrung der Beurteilung der Studienqualität zu vermeiden, wurde in Studien, bei denen diese Ausgangsvoraussetzung nicht gegeben war, diese Sektion nicht gewertet" (S. 40f)

Statt hier noch mehr der vielen weiteren Glanzlichter (Nanopartikel, ...) aufzulisten, möchte ich zwei Kleinode zitieren:

"Angewandte statistische Verfahren waren hier der students-t-Test und der two-tail-Signifikanz-Test." (S. 42)

"Homöopathie ist eine Heilmethode, die im 19. Jahrhundert [...] entdeckt wurde." (S. 7) – Die Wortwahl "entdeckt" gemahnt dabei an historische Momente wie den, als Apollonios von Perge entdeckt hat, dass sich die Planeten auf Epizykeln bewegen.

Kommentar vom 2020-06-27, 23:16

Schlimm, schlimm. :-) Ihre Kritikpunkte zeigen, dass die methodische Qualität der Arbeit denen der Wirkung und medizinischen Überprüfbarkeit der "Heilmethode" ungefähr entspricht. :-) Also voll intrinsisch ist ... Das muss man erst mal hinkriegen! Viele Promovierende scheitern an der Größe ihres Forschungssubjekts. ;-)

Kommentar vom 2020-06-28, 08:35

Oh Mann. Damit Doktor zu werden, ist schon eine Ansage. Andererseits Respekt dafür, dass hier 70 Seiten rausgequetscht wurden.

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