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Herrmann: Das Ende des Kapitalismus

2022-12-17 19:38

Dieses Buch ist nicht, wie man erwarten könnte, Band 4 vom "Kapital", sondern ein Appell, für den Kampf an der Klimafront auf eine rationierte Kriegswirtschaft umzustellen.

Notizen beim Lesen:

"Kredite lassen sich nur zurückzahlen, wenn die Wirtschaft wächst." (S. 13) – Na ja, oder wenn einfach die Geldmenge wächst, wie derzeit.

"Für eine einzige Pferdestärke wurden 20 kg Kohle benötigt." "nur noch ein Pfund pro Pferdestärke" (S. 44) – Wir brauchen endlich ein Schul-Pflichtfach, das die Kompetenz zur Unterscheidung zwischen Leistung und Energie vermittelt!!1!

"Die meisten Erdbewohner besitzen ein Handy und haben damit Zugang zum Wissen der gesamten Welt." (S. 65) – So, wie meine Student*innen Zugang zu Tausenden von Videos haben, in denen Bruchrechnen erklärt wird. Und was hilfts?

Das sechste Kapitel hätte man aus dieser Ecke vielleicht nicht so erwartet: "Ausbeutung und Krieg sind nicht nötig – sondern schaden dem Kapitalismus" (S. 70) "Afrika war also kein Paradies, bevor die Portugiesen oder Briten eintrafen." (S. 71)

"Die Zinsen werden zu Löhnen der Kundenberater […]" (S. 93) – Das ist aber großzügig von den Banken. Man hätte ja denken können, dass die Zinsen sofort wieder im Börsen-Kasino laden.

"Im Jahr 2040 wird Hamburg garantiert noch stehen […]" (S. 101) – Was für eine Bayes-Wahrscheinlichkeit bedeutet "garantiert"? 100 %? 99,8 %? Das Eis der Antarktis reicht locker für einen höheren Wasserstand; die Frage ist nur, wie schnell wir wie viele Kipppunkte reißen.

Onshore-WEA machen "magere Volllaststunden" (S. 141). Was fehlt: Die Zahl der Volllaststunden ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Man müsste nur einen viel kleineren Generator einbauen und wäre bei 7000+x Volllaststunden.

PV-Module bestehen aus Silikon (S. 158). Das ist schon hart, äh, weich.

Die Menge des jährlichen deutschen Energieverbrauchs mit Asteroideneinschlägen zu vergleichen, finde ich nicht unbedingt anschaulich. Ich habe noch nie einen solchen Einschlag erlebt und hoffe, dass das auch so bleibt. Und es kommt massiv auf die Anfangs(relativ)geschwindigkeit des Objekts an.

Auch überraschend aus dieser Ecke: "Ökosteuern können den Energieverbrauch kaum senken […]" (S. 222) "Am Ende können sich genauso viele Deutsche auf den Balearen sonnen wie bisher – nur dass ein großes Steuerkarussell dazwischengeschaltet wäre." (S. 222)

Kohlendioxid "macht derzeit nur ganze 0,0000334 Prozent der Luftpartikel aus". (S. 251) – Das wären 0,000334 Promille oder 0,334 ppm. Na dann ist ja alles gut.

Statt Primärquellen werden gerne populärwissenschaftliche Literatur oder journalistische Quellen zitiert. Üblich, aber völlig nervig ist, dass man, weil die Endnoten kapitelweise nummeriert sind, erst die Nummer des Kapitels nachsehen muss, um dann hinten die richtige Endnote zu finden. Und von dort ausgehend muss man im Literaturverzeichnis nachschlagen. Bitte demnächst so, wie es beim Klima-Buch gemacht ist.

Vielleicht habe ich es überlesen, aber dazu, was die besagte Kriegswirtschaft bei uns bringt, wenn sie nicht weltweit eingeführt wird, scheint nichts drin zu stehen: Wenn in Deutschland weniger fossile Brennstoffe verbraucht werden, sinken weltweit die Preise und die anderen Länder verbrauchen mehr, siehe H.-W. Sinn.

Kommentar vom 2022-12-17, 21:00

Unfair - dass der Verfasser J.L. des Blogs hier sich viel mehr als 1000 Zeichen könnt. ;)
Aber danke, dass die Höhepunkte/Tiefpunkte des Buches so nett zusammengefasst sind.
"PV-Module bestehen aus Silikon" ist ja der Brüller hier.
Erstaunlich, dass der Verfasser das Buch danach noch bis zu Ende gelesen hat.
Gruß MartinH - der gerne mal Bücher nur zur Hälfte liest

Kommentar vom 2022-12-18, 00:50

Ja, der Titel des Buches passt nicht so ganz zum Inhalt. 4/5 des Buches ist geschichtliche Erläuterung - fand ich recht interessant. Dass die „Schlussfolgerungen“ so unausweichlich sind, konnte ich nicht nachvollziehen. Das Buch liest sich aber insgesamt gut und unterhaltsam.

Kommentar vom 2022-12-18, 17:17

@Kommentator*in von 00:50: Das "liest sich gut und unterhaltsam" lässt bei mir die Alarmglocken schrillen. J. L.

Kommentar vom 2022-12-19, 10:21

"Grünes Schrumpfen" kann man auch einfacher als Deindustrialisierung bezeichnen. Vielleicht orientiert man sich zukünftig im Ersatz zu industrieller Fertigung wieder an stoffproduzierenden Verlagssystemen der Fugger und Welser, also so, dass man wieder in heimisch "groß"familiärer Produktion Waren und Dienstleistungen produziert. Solarzellenproduktion müsste da easy drin sein und Stahl kochen wir im Kochtopf, hat ja bei Mao auch super geklappt. Und wenn wir schon dabei sind, sollte man auch direkt wieder zurück zum Arbeiter-und-Bauern-Staat finden, denn natürlich braucht jeder maximal zwei Sorten Pudding und nicht hunderte im Kühlregal (schon wieder so ein neumodischer Kram, Eisblöcke reichen vollkommen aus). Ach, was redet man, wer braucht schon Pudding. Brot und Wasser reicht doch völlig aus.

Kommentar vom 2022-12-19, 20:23

@Kommentator*in von 10:21: Hmmm, ich denke, das tut der Autorin unrecht. Sie führt ja die britische Kriegswirtschaft als Vorbild an – und das war garantiert keine Deindustrialisierung. Man hat statt Autos halt Panzer produziert; für die heutige Zeit dann analog mit Handys und Großfernsehern (viel weniger davon neu) bzw. Solarzellen (viel mehr davon, aber sinnvollerweise in Andalusien und auf Sizilien aufgestellt). J. L.

Kommentar vom 2022-12-20, 21:48

Als Denkanstoß ist das Buch gut.
Es wäre ja schon mal ganz schön, wenn irgendjemand (vorzugsweise jemand in der Regierung) einen Plan hätte, der etwas weiter als "das nächste halbe Jahr" geht. Eine Strategie / eine Vision für die nächsten 3 bis 7 Jahre, das wäre super.

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