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Warum Lernvideos schaden

2023-01-30 11:37

Was sind unbeabsichtigte schädliche Nebenwirkungen der Produktion von Lernvideos durch Hochschulen? Eigentlich wollte ich dieses einem Kollegen als Antwort in einer E-Mail schreiben, aber ich denke, es ist von allgemeinem Interesse:

Schaden entsteht unter anderem durch die Opportunitätskosten: Der Aufwand wäre an anderer Stelle besser eingesetzt. Beispiel: Elektronische Texte sind viel leichter zu produzieren, zu verteilen, zu pflegen, barrierefrei zu gestalten, leichter manuell zu durchsuchen, leichter maschinell zu erfassen als Videos. Wir – ich eingeschlossen – haben uns auf Videos verlegt, weil wir glauben, dass sie besser "ankommen" als andere Medien. Das ist aber zweifelhaft, was das gefühltes Lernen im Vergleich zum tatsächlichen Lernen angeht. Und selbst, wenn es so wäre, könnte man mit dem gleichen Aufwand viel mehr oder bessere oder individualisierte Texte produzieren.

Weiterer Schaden entsteht durch die Vorbildwirkung. Wenn in Leuchtturmprojekten Videos produziert werden, gilt das als angesagte Maßnahme und findet Nachahmer*innen, die ihre Zeit mit dem Schreiben von Skripts und Schneiden von Videos vergeuden, statt sich um ihre Lernenden, um passende Erklärungen und um hilfreiche Aufgabenstellungen zu kümmern. Oder um ein insgesamt lernförderliches Curriculum, das versucht, die lerntechnisch unsinnigen Bologna-Modülchen wieder zusammenzukitten.

Durch Lehrvideos seitens der Hochschulen werden obendrein die Videos der anderen Anbieter*innen legitimiert. "Aha, mit Videos lernt also wirklich was, sonst würden die Unis das ja nicht auch machen!" Leider sind die Videos der anderen Anbieter*innen viel bunter, lauter, lustiger – und man erfährt sofort das Rezept, mit dem man seine Hausaufgaben lösen kann, statt erst eine Grundlagendiskussion ertragen zu müssen: "Du schuldest mir eine Viertelstunde meines Lebens" war ein Kommentar auf meinem YouTube-Kanal. Die Hochschulen legitimieren also das Medium "Lernvideo", aber benutzt werden dann die Videos der Konkurrenz.

(mit ausgewählten Umformulierungen von DeepL Write)

Kommentar vom 2023-01-30, 12:16

"Lernvideos", wie wir sie heute kennen, "schaden" vielleicht, weil sie didaktisch nicht optimal genutzt werden. Ein Video ist meist eine rein sequentielle Bildsprache, die mehr oder weniger nett anzusehen ist. Es erfordert i.d.R. keine eigene Interaktion (Lösung einer gestellten Teilaufgabe oder Abschätzung des nächsten Schrittes), um im Video voranzukommen. (Ausnahmen sind da schon die Zwangspausen in Videos des Autors J.L., die dazu einladen, einen Zwischenschritt zu bedenken - aber es nicht erzwingen können.)
Mit "tatsächlichen Lernen" ist hier doch das tatsächliche "Beherrschen" oder "Können" der Inhalte gemeint. Wenn dies das Ziel unserer Bildung ist, sollte es in jeder Art der Vermittlung berücksichtigt werden; egal, ob Video, Audio oder Text.
Alle diese Formen sind inhärent sequentiell, was ja eigentlich der Gedankenentwicklung entspricht, um sich schrittweise dem Bildungsziel zu nähern.
Immer wieder ein Mitdenken anzustoßen, ist die Herausforderung.
Gruß, MartinH - mit 1000 Zeichen

Kommentar vom 2023-01-30, 12:42

@MartinH: "Mitdenken anzustoßen" – ja, das ist der holy grail. Aber soooo wahnsinnig schwer, wie ich schon hier ausführlich dargelegt habe. J. L.

Kommentar vom 2023-01-30, 13:11

OT
Ich freue mich jedenfalls, dass Sie alle Ihre Videos produziert und publiziert haben.
Persönlich finde ich (Ihre) Videos einfacher zu verstehen, weil sie in normaler, gesprochener Sprache gemacht werden; das ist bei Texten selten der Fall. Außerdem haben Sie Nuancen wie Ihr typisches "hn" und Betonung. Kurz: Videos können viel mehr Informationen übertragen

Aber das ändert natuerlich alles nichts an Ihren Punkten ...

--LIVF

Kommentar vom 2023-01-30, 13:12

Wahrscheinlich sehr aufwendig, aber die Lernenden mit einer Art Quiz, Multiple-Choice-Fragen abholen und in spielerischer Form anregen zum Lernen. In den Pausen, die Sie einbauen, wo der Lernende selbst überlegen soll, 2-3 Antwortmöglichkeiten bieten und eventuell noch Punkte sammeln lassen und eine Art Belohnung (digital) da lassen, welches Menschen im Alter von 20-30 anspricht. Vielleicht ein Loviscach-Sticker-Set, welches man z.B. über WhatsApp verschicken kann. Dafür würde ich mich bemühen. Jedoch sind diese im Nachgang einfach zu kopieren, vielleicht eine andere Idee. Aber ein gutes Quiz kann doch keiner abschlagen oder?

Kommentar vom 2023-01-30, 13:27

@Kommentator*in von 13:12: Been there, done that. Habe sogar – vom MOOC-Hype verblendet – allerhand eigenes Geld in jenem Startup verbrannt. So! Geht! Es! Nicht! J. L.

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