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Kemfert: Schockwellen

2023-02-18 21:49

Die Energie-Geschichten um Putin-Schröder-Merkel habe ich seinerzeit leider nicht so genau mitverfolgt und vertraue deshalb darauf, dass die Darstellung in Claudia Kemferts neuem Buch stimmt. Der folgende Passus sät allerdings Zweifel in mir: "Nein, unser wissenschaftliches Wissen ist in einem demokratischen, transparenten Verfahren bei Licht des Tages gewachsen. Es wird laufend hinterfragt und überprüft. Dieses Wissen wird einer interessierten bürgerlichen Weltgemeinschaft kostenlos zur Verfügung gestellt." (S. 13) Das ist auf so viele Arten blauäugig bis falsch, dass ich mich frage, wie es um den Rest des Buchs steht.

Die Toten der Flutkatastrophe im Ahrtal auf das Konto des Klimawandels zu buchen (S. 19), ist nicht nur statistisch unmöglich, sondern auch sachlich falsch, weil die zu wassernahe Bebauung und ein katastrophaler Katastrophenschutz enorm verstärkend gewirkt haben.

Im Plauderton gibts Unterstellungen, die zwar stimmen mögen, aber unbelegt bleiben: "Als Sonderzugabe ließ Putin sich eine bislang ungenutzte Pointe einfallen. Denn an dem Konstruktionsfehler war ausgerechnet Siemens Energy schuld. Ein deutsches Unternehmen, deutsche Ingenieure." (S. 94)

Optimistisch sind auch die Ansichten der Autorin über den Sinn von Verträgen: "Putin […] benutzt die Verträge und rechtlichen Vereinbarungen nicht als Instrument für einen respektvollen Interessenausgleich. Er benutzt sie, um seine eigenen Interessen gegen die der anderen durchzusetzen. Er benutzt sie – tja – als Waffe." (S. 98) Wer hätte das gedacht? Das macht ganz sicher nur Putin! – Oder ist es doch vielleicht so: Wenn man sich immer lieb einigen könnte, bräuchte man keine Verträge? Jeder Vertrag ist eine geladene Waffe in der Schublade und wird auch so genutzt, wenn es darauf ankommt.

"Der Kreis Paderborn beispielsweise deckt seinen Strombedarf schon seit dem Jahr 2018 zu 100 Prozent mit Ökostrom." (S. 171) – Da fehlt eine wichtige Einschränkung: im Jahresmittel. Zwischen echter Autarkie und bilanzieller Autarkie besteht energiesystemtechnisch ein großer und teurer Unterschied, was nicht sachkundigen Leser*innen an dieser Stelle nicht auffallen wird.

"Es fehle an Speichern. Wir bräuchten Grundlast. Erneuerbare Energien seien volatil. Dann kommen solche einprägsamen Begriffe wie »Zappelstrom«, »Geisterstrom« oder »Dunkelflaute« und so weiter. Es gibt da einen ganzen Katalog an Schlagworten und Mythen […]." (S. 255) – Guter Trick: Man kanzelt das dickste Problem der Energiewende als "Mythos" ab und hat es damit erledigt.

"Bürgerenergie bringt frischen Wettbewerb in den Markt. Weit über 800 Energiegenossenschaften gibt es inzwischen in Deutschland. In ihnen haben sich rund 200 000 engagierte Menschen zusammengetan […]." (S. 277) – Da wäre es schön gewesen, zu erklären, wie so mache (oder viele) der Energiegenossenschaften zustande kommen: Projektentwickler*innen gehen los oder gingen zumindest los und such(t)en sich eine Energiegenossenschaft zusammen; das ist dann nicht allzu sehr eine Graswurzelaktivität.

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